Wollen wir hier diese so hilf- und trostreichen schönen Gedichte sammeln, die es gibt, zum Thema Tod und Sterben?
Zum *immer-wieder-nachlesen* wenn wir der Stärkung bedürfen?
Ich mache mal den Anfang mit Khalil Gibran
und hoffe, ihr macht weiter!
eure MiraMaureen
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Ihr möchtet wissen, um das Geheimnis des Todes.
Doch wie solltet Ihr es entdecken,
so ihr nicht danach forschet im Herzen des Lebens?
So ihr wahrhaftig den Geist des Todes erschauen wollet,
öffnet weit euer Herz dem Leibe des Lebens.
Denn Leben und Tod sind eins,
so wie Fluß und Meer eins sind.
Und was ist Sterben anderes,
als nackt im Wind zu stehen
und sich in der Sonne aufzulösen?
Und was heißt, nicht mehr zu atmen, anderes,
als den Atem zu befreien vom rastlosen Lauf,
damit er ungehemmt aufsteige und sich entfalte -
zu GOTT hin?
Erst wenn ihr aus dem Fluß des Schweigens getrunken habt,
werdet ihr wahrhaft singen.
Und erst wenn ihr den Gipfel des Berges erklommen habt,
werdet ihr zu steigen beginnen.
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Antworten
Ergebnis 1 bis 10 von 519
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13.06.2003, 08:03Inaktiver User
die schönsten Gedichte zum Thema Tod und Sterben
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15.06.2003, 21:37Inaktiver User
Re: die schönsten Gedichte zum Thema Tod und Sterben
Aus den Kindertotenlieder
von Friedrich Rückert
Du bist ein Schatten am Tage
und in der Nacht ein Licht;
du lebst in meiner Klage
und stirbst im Herzen nicht.
Wo ich mein Zelt aufschlage,
da wohnst du bei mir dicht;
du bist mein Schatten am Tage
und in der Nacht mein Licht.
Wo ich auch nach dir frage,
find´ ich von dir Bericht,
du lebst in meiner Klage
und stirbst im Herzen nicht.
Du bist ein Schatten am Tage
und in der Nacht ein Licht;
du lebst in meiner Klage
und stirbst im Herzen nicht.
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Ein Fest ohne Ende
Eines Tages
werden wir Körper haben
deren Leichtigkeit die Schmetterlinge neiden
mit einer Vollkommenheit
die die Engel staunen lehrt
wir werden Körper haben
von Licht umschmeichelt
von Sonne durchstrahlt
wir werden lächelnde Weite sein
und wir werden diejenigen sein
die sich zärtlich
an die warme Erde schmiegen
die lustvoll das Wasser umarmen
die lachend im Feuer tanzen
und kraftvoll mit den Winden fliegen
wir werden dazu gehören
unsagbar schön
unendlich leicht
kein Schmerz und keine Narben
kein Hinken und Stolpern
keine Lähmung, kein Sterben
und keine Träne wird mehr sein
und dieses Fest
werden wir feiern
mit all jenen
die uns trotzdem
dennoch oder gerade darum liebten
und unsere Schönheit immer schon ahnten
ein Fest ohne Ende
so ist es uns verheißen
© Bernadette Grabner
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16.06.2003, 22:39Inaktiver User
Re: die schönsten Gedichte zum Thema Tod und Sterben
Beim Aufgang der Sonne
und bei ihrem Untergang
erinnern wir uns an sie;
Beim Wehen des Windes
und in der Kälte des Winters
erinnern wir uns an sie;
Beim Öffnen der Knopsen
und in der Wärme des Sommers
erinnern wir uns an sie;
Beim Rauschen der Blätter
und in der Schönheit des Herbstes
erinnern wir uns an sie;
Zu Beginn des Jahres und wenn es zu Ende geht, erinnern wir uns an sie;
Wenn wir müde sind
und Kraft brauchen,
erinnern wir uns an sie;
Wenn wir verloren sind
und krank in unserem Herzen
erinnern wir uns an sie;
Wenn wir Freude erleben,
die wir so gern teilen würden
erinnern wir uns an sie;
So lange wir leben,
werden sie auch leben,
denn sie sind nun ein Teil von uns,
wenn wir uns an sie erinnern.
Aus den Toren des Gebets Reformiertes jüdisches Gebetbuch
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16.06.2003, 22:52Inaktiver User
Re: die schönsten Gedichte zum Thema Tod und Sterben
und sollt´ich geh´n
solange du noch hier....
...so wisse, dass ich weiterlebe,
nur tanz´ich dann zu einer anderen weise
und hinter einem schleier,
der mich dir verbirgt.
sehen wirst du mich nicht,
jedoch hab nur vertrauen.
ich warte auf die zeit, wo wir
gemeinsam neue höhen erklimmen
- einer des anderen wahrhaftig.
Bis dahin leere du den becher deines lebens bis zur neige,
und wenn du mich einst brauchst
lass nur dein herz mich leise rufen
....ich werde da sein.
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16.06.2003, 23:06Inaktiver User
Re: die schönsten Gedichte zum Thema Tod und Sterben
Dieses Gedicht wurde 1929 vom Bruder (Erich) meiner Oma geschrieben. Sein Sohn Rolf starb 5-jährig (ich weiß aber nicht mehr woran). Meine Oma hat mir dieses (und weitere von ihrem Bruder selbstverfasste Gedichte) vererbt.
Am Grab
Da liegst du nun, mein lieber kleiner guter Junge,
still in einem kühlen Grab.
Von Leid erfüllt schweigt meine Zunge,
weil ich dich ja so lieb gehabt.
Inhalt warst Du meines Lebens,
des Schaffens froh war ich für Dich,
nun scheint mir sinnlos alles Streben,
denn du gingst fort, wie schmerzt es mich.
Könnt ich noch einmal dich in meine Arme schließen,
nur halten deine liebe kleine Hand,
doch du liegst steif und kalt zu meinen Füßen,
und zwischen uns ist Erde, Staub und Sand.
Blumen blüh´n auf deinen nied´ren Hügel,
ich weiß: du liebtest sie so sehr,
als Engel hast du sicher gold´ne Flügel,
die Blumen schöner noch und mehr.
Du brachtest manchesmal von einer Wiese
ein kleines Sträußchen mir ins Haus,
und gabst wohl acht daß ich´s nicht ohne Wasser ließe,
sie haben Durst! schaltst du mich aus.
Im Geiste seh´ich Dich noch spielen
im Garten hinten und in der Stube auf dem Tisch
mit deinen Autos, all den vielen,
du brauchtest manchesmal dazu auch mich.
Am Abend legte ich Dich nieder,
mit Deinem Peter fest im Arm,
des Morgens früh erwachtest Du dann wieder
in Deinem Bettchen mollig weich und warm.
Doch nun schläfst Du in der Ewigkeit
Gott schenkte Frieden Dir und Ruh´,
ich muß noch warten, noch hab ich Zeit,
doch einst da schlaf auch ich so fest wie Du.
Zur Erinnerung an meinen lieben Rolf.
Erich Oestreich, 1929
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16.06.2003, 23:24Inaktiver User
Re: die schönsten Gedichte zum Thema Tod und Sterben
Teil 2
Es war einmal
Es war einmal ein kleiner Junge, den hatte ich sehr lieb,
mit seinem Plappermäulchen war er ein rechter Herzensdieb.
Blank waren seine Äuglein - wie Sterne in der Nacht,
die gaben mir viel Sonnenschein aus ihrer dunklen Pracht.
Oft strich mir seine kleine Hand zart über´s Angesicht,
das war ein süßes Kosen, ach ich vergess´es nicht.
Er drückte mir sein kleines Herz so innig an die Brust,
und machte mir des Lebens Leid zu seelig süßer Lust.
Zwei Ärmchen im Verlangen schlang er so fest um mich,
und seine runden Wangen, die küßte ich.
Sein silberhelles Lachen war Jubel, Glück und Freud´,
ich dacht: so könnt es immer sein; doch weiß ich´s besser heut´.
Grad als ich so glücklich war trat Gott in meine Tür
und sprach gib mir Dein Kind, ich nehme es zu mir.
Da war es plötzlich still um mich, so öde und so leer,
in meinem Schmerze wünschte ich oh wär´ich selbst nicht mehr.
Doch als ein Strom von Tränen sich mir in die Augen drängt,
hör ich, wie eine Stimme leise an zu sprechen fängt.
Bitte, bitte weine nicht, sieh´ doch, es geht mir gut!
Trüb nicht Deiner Augen Licht, ich bin in sich´rer Hut.
Mach Dir nicht das Leben schwer, sieh´mein Bild Dir an,
denk, daß wir uns wiederseh´n und lächle dann.
denk, ich sei ein Märchen, aus einer anderen Welt,
wie du mir so manchesmal am Bettchen eins erzählt.
Beim Träumen und beim wachen will ich stets vor dir steh´n,
will mit dir scherzen, lachen - ist das nicht wunderschön?
ich will Dir Blumen pflücken, ein Sträußchen in der Hand´
komm´ ich dann lieber Vati, zu Dir ins Haus gerannt.
Es gibt so viele Märchen, so wunderbar und fein,
doch dies ist wohl das schönste - Gott laß es bitte Wahrheit sein.
........
Zur liebevollen Erinnerung an meinen lieben Rolf
Erich Oestreich, 1929
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16.06.2003, 23:39Inaktiver User
Re: die schönsten Gedichte zum Thema Tod und Sterben
mehr als zwei jahre habe ich diese beiden gedichte nicht mehr in die hand genommen.
sie berühren mich (immer wieder) sehr. zumal den vielen gedichten auch ein foto beiliegt, das den kleinen rolf zeigt...
dieses foto erhielten damals die familienmitglieder nach der beerdigung.
auf der rückseite des fotos steht:
oh rätselhafte dunkle augen,
was blickt ihr mich so seltsam an?
als wolltet ihr mich etwas fragen,
worauf ich selbst nicht antwort finden kann.
ihr kleinen süßen roten lippen,
was schweigt ihr ohne ende?
so sprecht doch, sagt mir ein wort
ach, daß ich wieder froh sein könnt.
vergebens war nun alles bitten,
auch diese hände halten still,
und strecken sich uns nicht entgegen,
weil es gott so haben will.
.....
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17.06.2003, 11:36
Re: die schönsten Gedichte zum Thema Tod und Sterben
Ihr Lieben,
ich bin mir nicht ganz sicher, ob das folgende Gedicht als Trauergedicht gelten kann und doch finde ich es schön, deshalb stelle ich es auch ein.
Es soll in keinster Weise die Trauerarbeit schmälern und verurteilen, vielleicht hilft es aber doch dem einen oder anderen. Eigentlich ist es eher ein Abschieds- bzw. Neuanfang-Gedicht.
Stufen
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf´um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen;
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegensenden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden....
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde.
Hermann Hesse
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20.06.2003, 18:19Inaktiver User
Re: die schönsten Gedichte zum Thema Tod und Sterben
Memento
Vor meinem eigenen Tod ist mir nicht bang,
Nur vor dem Tod derer, die mir nah sind.
Wie soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind?
Allein im Nebel tast ich todentlang
Und laß mich willig in das Dunkel treiben.
Das Gehen schmerzt nicht halb so wie das Bleiben.
Der weiß es wohl, dem dieses wiederfuhr
Und die es trugen, mögen mir vergeben.
Bedenkt: Den eigenen Tod, den stirbt man nur,
Doch mit dem Tod der anderen muß man Leben.
(Mascha Kalèko)
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20.06.2003, 18:28Inaktiver User
Re: die schönsten Gedichte zum Thema Tod und Sterben
Denk dir ein Bild, weites Meer.
Ein Segelschiff setzt seine weißen Segel und
gleitet hinaus in die offene See.
Du siehst, wie es kleiner und kleiner wird.
Wo Wasser und Himmel sich treffen,
verschwindet es.
Da sagt jemand: Nun ist es gegangen.
Ein anderer sagt: Es kommt.
Der Tod ist ein Horizont,
und ein Horizont ist nichts anderes als die Grenze unseres Sehens.
Wenn wir um einen Menschen trauern,
freuen sich andere, ihn hinter der Grenze wieder zu sehen.